Nein zu Fast Fashion!

30.09.2022

Neuste Entwicklungen in der umweltpsychologischen Forschung zu Kleidungskonsum und Ideen für einen Start in den bewussteren Umgang mit deiner Kleidung.

Fast Fashion und ihre Konsequenzen

Die Modeindustrie, insbesondere das ihr großteils zugrundeliegende Fast-Fashion-Modell der günstigen Produktion und des häufigen Konsums bei kurzer Nutzungsdauer, ist erheblicher Mitverursacher der globalen Umweltverschmutzung. Die ökologischen Folgen resultieren aus enormem Wasserverbrauch, der Verursachung von Treibhausgasemissionen, großen Mengen an Textilabfällen, die verbrannt werden oder auf Mülldeponien landen, Mikroplastik resultierend aus Kunstfaserkleidung sowie dem Einsatz von Chemikalien. Um diesen Auswirkungen entgegenzusteuern, ist ein Umdenken des Geschäftsmodells Fast Fashion dringend notwendig. Alternative Ansätze umfassen etwa Kreislaufwirtschaft, Ideen zur Abfallvermeidung und die allgemeine Entschleunigung von Produktion und Konsum (Niinimäki et al., 2020).

 

Die Rolle von guten Intentionen

Auch die Konsumierenden haben Handlungsspielraum, was die Verringerung ökologischer Probleme betrifft. Ein Beitrag, den wir Menschen individuell leisten können, ist die Reduktion des persönlichen Kleidungsverbrauchs sowie das Achten auf Materialien und Herstellungsweise. Um uns darin zu unterstützen und Strategien zur Verhaltensänderung entwerfen und vermitteln zu können, wollen Forschende der Umweltpsychologie genau verstehen, wie umweltfreundliches Verhalten zustande kommt. Nachhaltigeres Kaufverhalten zu verstehen ist allerdings gar nicht so einfach: Oftmals sind es nicht Intentionen (alleine), die zu bestimmten Verhaltensweisen führen. Je nachdem, welche Art von Intention man hat, wie die äußeren Umstände sind und wie gut man zielgerichtetes Verhalten steuern kann, übersetzen sich Intentionen in unterschiedlichem Maße in Verhalten. Die Kluft zwischen Intentionen und dem tatsächlichen Verhalten, die sich dabei manchmal ergibt, nennen Forschende die sogenannte Intentions-Verhaltens-Lücke (Joanes et al., 2020).

Viel besser als durch Intentionen lässt sich zukünftiges Verhalten durch vergangenes vorhersagen. Forschende haben herausgefunden, dass Kaufentscheidungen stark automatisierten Mechanismen unterliegen. Da die Unterbrechung von Automatismen schwierig ist, ist es ratsam, auch jene psychologischen Aspekte auszumachen, die Kaufverhalten über Automatismen hinaus beeinflussen können (Joanes et al., 2020).

 

Was motiviert zur Konsumveränderung?

Konsumverhalten ist stark durch soziale Mechanismen beeinflusst. Die Absicht, den eigenen Kleidungskonsum zu verändern, ist zudem oft moralischen Ursprungs. So sind soziale und persönliche Normen starke Wirkkräfte in Bezug auf Konsumverhalten. Soziale Normen sind allgemein akzeptierte Regeln für gesellschaftlich befürwortete und belohnte Verhaltensweisen. Persönliche Normen sind hingegen in das eigene Wertesystem eingegliederte Normen und erzeugen das Gefühl einer moralischen Verpflichtung. Eine persönliche Norm entwickelt sich dadurch, dass eine Person ein Problem wahrnimmt und sich mitverantwortlich fühlt. Gleichzeitig müssen Handlungen zur Verfügung stehen, die zur Problemlösung dienen (Schwartz 1977; Schwartz and Howard 1981). In Bezug auf Konsum von Fast Fashion kann sich eine Person, die etwa eine Dokumentation über die Umweltverschmutzung durch Fast Fashion – wie The Monster in Our Closetansieht, über das Problem und ihre Rolle als konsumierende Person bewusst werden (Grünzner et al., 2022). Wenn sie sich dann einen Teil der Verantwortung zuschreibt und alternative Handlungsstrategien umsetzbar sind (etwa Konsumreduktion, vermehrter Kauf von Second-Hand-Mode oder Naturfasern), dann kann sich ein Gefühl der moralischen Verpflichtung, beziehungsweise eine persönliche Norm entwickeln.

Räumlich und sozial entfernten Menschen gegenüber Solidarität zu empfinden, kann für das Vorhaben, weniger Kleidung zu konsumieren, ebenfalls bedeutungsvoll sein. Eine globale Perspektive ist essentiell, finden die Auswirkungen der Kleidungsproduktion doch oft weit entfernt vom Ort des Verbrauchs statt. Um moralische Handlungen zu begünstigen, könnte es dennoch wichtig sein, eine gewisse psychologische Distanz, das heißt ein höheres Level an  Abstraktion, zu den betroffenen Menschen zu wahren (Joanes, 2019). Sich über Solidarität hinaus zu sehr mit ihnen als Teil der gesamten Menschheit zu identifizieren ist also vielleicht weniger ratsam. So zeigt eine neuere Studie, dass es für die Spendensammlung einer Wohltätigkeitsorganisation etwa gewinnbringender sei, auf soziale Unterschiede zwischen den Spendenden und jenen, für die gespendet wird, hinzuweisen - indem etwa religiöse, ethnische oder nationale Besonderheiten klar dargestellt werden - und dann an die Solidarität zu den Mitmenschen zu appellieren, anstatt nur Ähnlichkeiten herauszustreichen und die psychologische Distanz damit abzubauen (Reese et al., 2015). Andere Studien in der Umweltpsychologie haben auch gezeigt, dass weniger Distanz positive Effekte hat, so dass wohl noch mehr Evidenz notwendig ist, um den Effekt von psychologischer Distanz besser zu verstehen.

Wichtig ist die Erforschung obiger Einflussfaktoren auf Verhalten deshalb, weil wissenschaftliche Erkenntnisse die Planung von Maßnahmen und Kommunikationsstrategien zu nachhaltigem Kleidungskonsum informieren können.

 

Neue Perspektiven

Aktuelle – jedoch noch mit Vorsicht zu betrachtende – Forschungsergebnisse stellen die Anwendbarkeit der oben genannten Einflussfaktoren in Frage (siehe Nielsen et al, 2022). Sie deuten darauf hin, dass eine Diskrepanz zwischen der Selbsteinschätzung und dem tatsächlichen Modekonsum besteht. Die obig genannten, bisher untersuchten psychologischen Faktoren scheinen eher im Zusammenhang mit der verzerrten Selbsteinschätzung des eigenen Konsums stehen. Die tatsächlichen Konsumentscheidungen und die durch ihn verursachten Treibhausgasemissionen werden jedoch relativ schlecht durch aktuelle umweltpsychologische Theorien vorhergesagt. Das liegt für die Forschenden vor allem an der Art, wie Kaufentscheidungen in Studien abgefragt werden. Etwa werden Konsumentscheidungen, wie etwa der Kauf von Schuhwerk und T-Shirts, 1:1 miteinander verglichen, obwohl sie relativ unterschiedliche Umweltbelastungen nach sich ziehen. Häufigkeitsangaben werden oft nur ungenau überschlagen, indem Teilnehmende ihr Verhalten in die Kategorien “nie, selten, manchmal, oft, immer” einordnen müssen. Selten stattfindende Verhaltensweisen mit hoher Auswirkung, wie etwa der Kauf besonderer Funktionskleidung, werden häufig gänzlich ausgeklammert. Nicht zuletzt werden Motivationen und Verhaltensweisen gebündelt abgefragt – etwa mit Items wie “Ich vermeide Kleidungskonsum aus Umweltgründen” – und daher womöglich künstlich miteinander verknüpft. Die aktuelle Forschung lässt daran zweifeln, dass als verhaltensvorhersagend geltende Einflüsse wirklich so bedeutsam sind wie bisher angenommen und wirft gleichzeitig die Frage nach anderen wichtigen Einflüssen auf. Weitere Untersuchungen, die auf die Wiederholung und Verbesserung des Studiendesigns abzielen, sind gefragt, um Aufschluss über Kleidungskonsum und dessen Antreiber zu erlangen (Nielsen et al., 2022).

Aus unserer Sicht möchten wir jedoch die Einflüsse der Marketingpsychologie und Konsumforschung nicht außer Acht lassen, da Konzepte wie Impulsives Einkaufen bzw. dessen Drang inzwischen recht ausführlich untersucht worden sind (siehe z.B. die Meta-analyse von Iyer et al., 2020). Meistens mit dem Ziel, Konsument*innen zum Einkaufen anzuregen. Wir argumentieren, dass die schon vorhandenen wissenschaftlichen Ergebnisse zu den internen und externen Antreibern von Impulsivkäufen auch genutzt werden können, um Kleidungskonsum – oder den Drang, Neues einzukaufen – zu reduzieren. Mehr dazu gibt es auch in der kommenden Forschung von Doktorandin Maja Grünzner in der Umweltpsychologie Forschungsgruppe Wien.  

Es sind häufig junge Erwachsene, die impulsiv einkaufen, so haben sich z.B. in 2017 41% der Teilnehmenden aus der Generation Z und 34% der teilnehmenden Millennials bei einer Umfrage in Großbritannien als Impulsivkäufer*innen identifiziert (Varella, 2022). Falls du selbst manchmal Impulskäufe tätigst oder bewusster Kleidung einkaufen möchtest, dann haben wir hier noch ein paar weitere Tipps für dich. Denn während die psychologische Forschung zum Thema voranschreitet, haben wir Konsument*innen – wie zu Beginn erwähnt – jederzeit die Möglichkeit, zu einer Reduktion von Fast Fashion-Käufen und den damit verbundenen negativen Konsequenzen beizutragen.

Eine tiefergehende Auseinandersetzung mit der Fast Fashion-Industrie und ihren Folgen ist etwa über folgende Seite möglich:

Falls du den Konsum-Automatismus durchbrechen und selbst aktiv werden möchtest, kannst du dich folgenden Herausforderungen stellen:

 

Finanzierung

Bettina Fischer hat Mittel aus dem Projekt Mission Zukunft des ScienceCenterNetzwerks erhalten und Maja Grünzner hat Mittel aus dem Forschungs- und Innovationsprogramm Horizon 2020 der Europäischen Union unter der Marie Skłodowska-Curie Förderung Nr. 860720 erhalten. Die Verantwortung für den Inhalt dieses Blogartikels liegt allein bei den Autorinnen.

 

Referenzen

Grünzner, M., Pahl, S., White, M., Wyles, K. J. & Thompson, R. (2022, July 5-8). To buy or not to buy? Young consumer views on fashion purchases and microplastics in the UK [Poster Presentation]. 27th Conference of the International Association People – Environment Studies, Lisbon, Portugal. http://dx.doi.org/10.13140/RG.2.2.14779.69922

Iyer, G. R., Blut, M., Xiao, S. H., & Grewal, D. (2020). Impulse buying: a meta-analytic review. Journal of the academy of marketing science, 48(3), 384-404. https://doi.org/10.1007/s11747-019-00670-w

Joanes, T. (2019). Personal norms in a globalized world: Norm-activation processes and reduced clothing consumption. Journal of cleaner production, 212, 941-949. https://doi.org/10.1016/j.jclepro.2018.11.191

Joanes, T., Gwozdz, W., & Klöckner, C. A. (2020). Reducing personal clothing consumption: A cross-cultural validation of the comprehensive action determination model. Journal of Environmental Psychology, 71, 101396. https://doi.org/10.1016/j.jenvp.2020.101396

Nielsen, K. S., Brick, C., Hofmann, W., Joanes, T., Lange, F., & Gwozdz, W. (2022). The motivation–impact gap in pro-environmental clothing consumption. Nature Sustainability, 1-4. https://doi.org/10.1038/s41893-022-00888-7

Niinimäki, K., Peters, G., Dahlbo, H., Perry, P., Rissanen, T., & Gwilt, A. (2020). The environmental price of fast fashion. Nature Reviews Earth & Environment, 1(4), 189-200. https://doi.org/10.1038/s43017-020-0039-9

Reese, G., Proch, J., & Finn, C. (2015). Identification with all humanity: The role of self‐definition and self-investment. European Journal of Social Psychology, 45(4), 426-440. https://doi.org/10.1002/ejsp.2102

Schwartz, S. H. (1977). Normative influences on altruism. Advances in Experimental Social Psychology, 10, 221– 279.

Schwartz, S. H. & Howard, J. H. (1981). A normative decision-making model of altruism. Altruism and Helping Behavior, 189–211.

Varella, S. (2022, June 1st) Individuals who are impulsive buyers in the UK in 2017 [Infographic]. Statista. https://www.statista.com/statistics/790391/individuals-who-are-impulsive-buyers-in-uk/