Wissenschaft als Elfenbeinturm?
Wenn wir uns Wissenschaft & wissenschaftliche Forschung in der Praxis vorstellen, denkt man unter Umständen an Menschen in weißen Laborkitteln, die sich mit Physik, Biologie, Chemie oder komplexen technischen Verfahren auseinandersetzen. Das Bild der Wissenschaft als Elfenbeinturm, abgekoppelt von Alltag und dem wirklichen Leben, ist nicht allzu weit entfernt. Die gefühlte Wahrheit dieser Vorstellungen ist ähnlich: Wissenschaft findet woanders statt, und die meisten Menschen haben wenig bis gar keinen Kontakt damit. Das ist nicht verwunderlich, wenn man bedenkt, dass weniger als 50 % der Europäer der Meinung sind, Wissenschaftler seien gut im kommunizieren.
Wir arbeiten hart daran, das Gegenteil zu beweisen.
Forschungseinrichtungen investieren mehr und mehr darin, wissenschaftliche Entdeckungen und Wissen auch außerhalb der Forschungsblase zu teilen und die Universität Wien bemüht sich aktiv um diese Art des Transfers. Allerdings werden viele dieser Outreach-Bemühungen vielleicht nicht als solche wahrgenommen (z.B. WissenschaftlerInnen, die im Fernsehen etwas kommentieren oder auch ein Zitat in einem Zeitungsartikel, das gerade mal einen Satz umfasst). Im vergangenen November brachte das Kiss the Globe-Event in Wien ExpertInnen aus verschiedenen Bereichen des Klimawandels zusammen, die live über ihr Wissen und konkrete Lösungsansätze berichteten - darunter auch Jana Köhler vom Team für Umweltpsychologie der Universität Wien.
Erste Frage: Was ist Umweltpsychologie?
Wien ist die Heimatstadt von Sigmund Freud; es ist also nicht wirklich überraschend, dass die Eröffnungsfragen in etwa lauteten: „Was ist Ihr Job als Umweltpsychologin? Therapieren Sie Pflanzen? Macht der Klimawandel sie depressiv?“ (Um mit offenen Karten zu spielen: bis vor ein paar Jahren, bevor ich mich selbst mit dem Thema beschäftigt habe, wäre das auch mein erster Gedanke zum Begriff Umweltpsychologie gewesen). Damit haben wir schon den ersten großen Schritt, um die Erkenntnisse unserer Forschung zu verbreiten: Wir müssen erklären, womit sie sich beschäftigt und wofür diese Arbeit relevant ist.
Im Fall der Umweltpsychologie geht es um die Wechselwirkungen zwischen Mensch und Umwelt(en). Wie beeinflusst die Umwelt den Menschen und wie beeinflusst der Mensch seine Umwelt? In der Praxis führt dies vor allem zu angewandter Forschung, die nach Lösungen für Probleme des wirklichen Lebens sucht (oder zumindest nach Teilen der Lösung). Wie können wir Menschen dazu bringen, sich für den Tierschutz zu engagieren? Welche Faktoren führen zu einem geringeren Verbrauch angesichts des Massenkonsums von Kleidung? In Anbetracht des dringenden Handlungsbedarfs in Bezug auf den Klimawandel und seine katastrophalen Folgen ist es notwendig, diese Lösungen zu finden und dieses Wissen einem breiten Publikum zu vermitteln.
Warum ist die Umweltpsychologie Teil einer Veranstaltung zum Klimawandel?
Aber warum ist ausgerechnet die Umweltpsychologie ein zentraler Bestandteil des Umgangs mit dem Klimawandel? Sind Biologie und Technik nicht relevanter? Schließlich geht es um die Natur, und neue Technologien können helfen, den CO2-Ausstoß zu verringern, richtig?
Zunächst muss ich klarstellen, dass für die Herausforderung des Klimawandels, Forschung in vielen verschiedenen Disziplinen notwendig ist. Doch Klima und Natur existieren nicht in einem Vakuum. Wenn wir vom Klimawandel sprechen, meinen wir eigentlich den vom Menschen verursachten Klimawandel. Er kann zwar nicht vom Menschen ungeschehen gemacht werden, aber wir sind diejenigen, die Maßnahmen ergreifen müssen, um seine Folgen zu minimieren. Wir erleben schon heute entsprechende Veränderungen, von kleineren und schlechteren Skigebieten bis hin zu steigenden Lebensmittelpreisen aufgrund von Hitze oder starken Regenfällen . In der Zwischenzeit rückt der Traum der „weißen Weihnacht“ immer weiter in die Ferne (wobei diese Idylle schon immer seltener der Realität entsprach, als uns das allgemeine Bewusstsein vorgaukelt).
Das Pariser Abkommen, die jährlichen COPs oder der europäische Green Deal: Überall auf der Welt haben Menschen große und notwendige Ambitionen, um die Folgen des Klimawandels zu begrenzen. Damit diese Ambitionen verwirklicht werden, müssen wir alle unseren Teil dazu beitragen. Die Forschung in Biologie oder Technik kann uns sagen, was getan werden muss oder welche Instrumente es gibt, um diesen Wandel zu erreichen. Es ist aber die Psychologie, die den menschlichen Faktor untersucht, welcher bei der Umsetzung dieser Veränderungen zentral ist. Sei es durch individuelles Verhalten, eine veränderte gesellschaftliche Wahrnehmung oder die Unterstützung notwendiger Maßnahmen. Die Umweltpsychologie kann uns dabei helfen, Antworten auf die Frage zu finden, was funktioniert und was nicht, und auch warum das so ist.
Bereits im November konzentrierte sich Jana auf zwei Aspekte, die sie dem Publikum vermitteln wollte. Erstens: Es wird nicht mehr darüber diskutiert, dass Maßnahmen gegen den Klimawandel notwendig sind. Eine große Mehrheit ist sich einig, dass die Bekämpfung des Klimawandels und die Reduzierung der Treibhausgasemissionen sowohl auf globaler als auch auf nationaler Ebene erforderlich ist. Stattdessen wird das Handeln unterdrückt, zum Beispiel durch sogenannte Verzögerungsdiskurse. Die Notwendigkeit zu handeln wird zwar anerkannt, aber relativiert. Anstatt den Klimawandel im Allgemeinen zu leugnen, wird versucht, das Handeln zu minimieren oder die Verantwortung für das Handeln auf andere abzuwälzen. Das führt uns zu Janas zweitem Punkt: Unser umweltfreundliches Verhalten muss nicht perfekt sein, aber wir müssen handeln. Es ist effektiver, wenn viele Menschen etwas tun, als wenn ein paar Wenige alles machen. Um dies zu erreichen wird die Umweltpsychologie ihre Erkenntnisse auch weiterhin mit der Öffentlichkeit teilen und erklären. Nur zusammen können wir diese Probleme überwinden.
Weitere Informationen:
· Wissenschaftskommunikation an der Universität Wien: Das Wissenschaftsmagazin Rudolphina