Das Problemthema Plastik erregt nun schon seit einiger Zeit viel öffentliche Aufmerksamkeit - und das aus gutem Grund: Statistiken zeigen, dass die jährliche Menge an Plastikmüll pro Kopf in Deutschland insgesamt bis zu 39,7 kg erreicht. In Irland ist diese Zahl mit 61,5 kg pro Person im Jahr 2022 sogar noch höher (Statista, 2022). Die öffentliche und medial Aufmerksamkeit fokussiert sich häufig auf marine Plastikverschmutzung – also vorrangig auf Plastikmüll im Meer (z. B. Michael, 2022). Im Jahr 2014 erreichte das geschätzte Gewicht von Plastikelementen im Nordpazifik 96.400 Tonnen (Statista, 2014). Zahlen wie diese sowie Kampagnen von Nichtregierungsorganisationen und Aktivist:innen haben zu einem Zuwachs an öffentlichem Bewusstsein geführt. Diese wachsende Aufmerksamkeit führt wiederum zu einer zunehmenden Zahl an Forschungsvorhaben, die sich auf die Suche nach umweltfreundlicheren Optionen und Materialien mit höherer biologischer Abbaubarkeit konzentrieren (Priyadarshini et al., 2022). Bioplastik gilt als eine dieser Optionen. Allerdings unterscheiden sich Materialien der Kategorie Bioplastik häufig stark in ihren Eigenschaften – sowohl was ihre Herstellung als auch ihre Abbaubarkeit betrifft. Auch eine Vielzahl unterschiedlicher Definitionen des Begriffs ansich löst häufig Verwirrung unter Verbraucher:innen aus (Dilkes-Hoffman et al., 2019). Europäische Forscher:innen konnten dennoch feststellen, dass Verbraucher:innen Bioplastik tendenziell positiv gegenüberstehen und die biologische Abbaubarkeit der Materialien manchmal überschätzen. Außerdem scheinen Konsument:innen häufig anzunehmen, dass das Recycling von biobasiertem Plastik weniger wichtig ist, als bei fossilen Kunststoffen (Zwicker, Brick, Gruter & van Harreveld, 2021).
Was also ist Bioplastik?
Die Europäische Union unterscheidet verschiedene Arten von Materialien, die zusammen der Familie Bioplastik angehören. Plastik kann dann als Bioplastik bezeichnet werden, wenn es entweder biobasiert, biologisch abbaubar oder beides ist. Der Begriff "biobasiert" beschreibt dabei ein Material, das zumindest teilweise aus Biomasse (häufig Mais, Zuckerrohr oder Zellulose) hergestellt wurde. Biologischer Abbau hingegen ist der Prozess, bei dem ein Material durch Mikroorganismen, die bereits in der Umwelt vorhanden sind, in natürliche Stoffe umgewandelt wird (Europäische Kommission, 2022).
Die verschiedenen Arten von Bioplastik umfassen eine Reihe von Materialien, wie PET, PA oder PEF (European Bioplastics, 2022). PET steht für Polyethylenterephthalat - eine Form von Polyester, die häufig für Wasserflaschen verwendet wird - PA steht für Polyamide, die umgangssprachlich als Nylon bekannt sind (WRAP, 2020). PEF schließlich steht für Polyethylenfuranoat – ein Material, das in Zukunft möglicherweise PET ablösen wird (Rosenboom et al., 2018). Eines der am häufigsten verwendeten biobasierten, biologisch abbaubaren Materialien ist PLA (Polymilchsäure) (Cosate de Andrade, Souza, Cavalett & Morales; 2016).
Zu den biobasierten, biologisch abbaubaren Plastiksorten gehören Stärke-blends aus thermoplastischer Stärke (TPS) sowie innovative Polyesterformen. Sie können für Produkte mit einer kürzeren Lebensdauer (z. B. Verpackungen) verwendet werden. Nicht alle diese Materialien werden unter den gleichen Bedingungen biologisch abgebaut. Biologisch abbaubare Plastikarten auf fossiler Basis sind eine kleinere Gruppe von Materialien und werden häufig mit anderen Kunststoffen (PLA oder biologisch abbaubaren Versionen) kombiniert, da sie die Leistung verschiedener Produkte verbessern können (European Bioplastics, 2022).
Verwirrung um die Eigenschaften von Bioplastik
Wie bereits erläutert kann der Begriff Bioplastik in unterschiedlichen Fällen unterschiedliche Bedeutungen haben. Diese Komplexität hat dazu geführt, dass Vebraucher:innen nur wenig über das Thema wissen oder es als verwirrend empfindet. Die öffentliche Meinung zu Bioplastik ist jedoch tendenziell positiv: 68 % der Menschen geben an, dass sie es begrüßen würden, wenn mehr Plastikartikel biologisch abbaubar wären (Dilkes-Hoffman, Ashworth, Laycok, Pratt & Lant, 2019). Die Verbraucher:innen scheinen auch bereit, für Alternativen aus Bioplastik zu zahlen (Zwicker, Brick, Gruter & van Harreveld, 2021). Diese positive Einstellung gegenüber Bioplastik zeigt sich auch anhand des stetig wachsenden Marktes für die Produkte – ein Trend, der sich Prognosen zufolge in den nächsten Jahren fortsetzen wird (European Bioplastics, 2018).
Wenn eine große Menge an Bioplastik in den Markt einfließt, könnte es aufgrund der unterschiedlichen Level an biologischer Abbaubarkeit der einzelnen Materialen und der damit verbundenen Herausforderungen für die Abfallwirtschaft zu Problemen kommen. Napper und Thompson (2019) testeten die biologische Abbaubarkeit von vier verschiedenen Arten von Plastiktüten über einen Zeitraum von drei Jahren. Ihre Ergebnisse beweisen, dass die Dauer des Abbauprozesses stark von der Art des Bioplastiks, sowie der Umgebung, in der es entsorgt wurde, abhängt. Sie untersuchten biologisch abbaubares, oxo-abbaubares, kompostierbares und hochdichtes Polyethylen in drei verschiedenen Umgebungen – an der Luft, in der Erde und im Meerwasser – sowie im Labor als Kontrollbedingung. Obwohl der Grad der Zersetzung sich in den verschiedenen Bedingungen unterschied, berichteten die Forscher:innen, dass keiner der untersuchten Plastikbeutel über einen Zeitraum von drei Jahren eine ausreichende Zersetzung aufwies. Dieses Ergebnis zeigt, dass auch die Entsorgung biologisch abbaubarer Tüten vorrangig gemäß der jeweiligen Vorgaben passieren sollte, da sie in der Umwelt auch über längere Zeit nicht vollständig zersetzt werden und sie so noch über Jahre hinweg belasten können.
Diese Ergebnisse und ihre Implikationen sind in Hinblick auf das Konsumverhalten von besonderem Interesse. Untersuchungen haben gezeigt, dass Verbraucher:innen ihre Meinungen zu Plastik vor allem auf ihren Annahmen zu Abbauprozessen der Materialien basieren (Herbes et al., 2018). Stellt man dieses Ergebnis der Beliebtheit oder gar Bevorzugung von Bioplastik in der Öffentlichkeit gegenüber (Dilkes-Hoffman et al., 2019), ist naheliegend, dass Verbraucher:innen sich der Herausforderungen am Ende des Bioplastik-Lebenszyklus nicht bewusst sind.
Wo landet das Bioplastik?
Es scheint daher wichtig zu sein, die Eigenschaften von Bioplastik am Ende des Lebenszyklus besser zu verstehen. Wie bei jedem Material spielt es eine wichtige Rolle, wo und wie Bioplastik entsorgt wird, um nachhaltigen Verbrauch zu gewährleisten und negative Auswirkungen auf die Umwelt zu minimieren. In dieser Phase kommt einer entsprechend organisierten Abfallwirtschaft eine wichtige Rolle zu. Es wurde außerdem nachgewiesen, dass Recycling häufig ein besseres Umweltprofil aufweist als der biologische Abbau (Piemonte, 2011; De Andrade et al., 2016). Aus Verbraucher:innensicht kann eine nachhaltige Abfallentsorgung besonders schwierig sein, da sich die Recyclingpraktiken in der Regel von Staat zu Staat oder sogar von Bundesland zu Bundesland unterscheiden. In Österreich hat Anfang 2023 eine landesweite Angleichung der Recyclingpraktiken begonnen - das bedeutet, dass das Abfallwirtschaftssystem in den verschiedenen Bundesländern nun nach denselben Regeln funktioniert und die Verbraucher:innen beim Umzug in ein neues Bundesland keine unterschiedlichen Praktiken erlernen müssen. Dieses Vorgehen erscheint langfristig sinnvoll, da es den umweltfreundlichen Umgang mit Abfällen für die Konsument:innen vereinfacht.
Nicht alle Formen von Recycling sind gleich gut für Bioplastikartikel geeignet. Eine Studie aus dem Jahr 2016 befasste sich mit der Entsorgung des Bioplastiks PLA, das zu den am häufigsten verwendeten Bioplastiksorten gehört. Konkret verglichen die Forscher:innen drei verschiedene Formen der PLA-Entsorgung: mechanisches und chemisches Recycling sowie Kompostierung. Die Ergebnisse zeigen, dass das mechanische Recycling die geringsten Umweltauswirkungen hat, gefolgt von chemischem Recycling und schließlich der Kompostierung. Dieses Ergebnis ist vorrangig auf die Produktion des recycelten Polymers zurückzuführen (Cosate de Andrade, Souza, Cavalett & Morales; 2016).
Piemonte (2011) zeigte ebenfalls, dass die Herstellung von PLA und anderen Bioplastiksorten im Vergleich zu konventionellen Kunststoffen weniger Energie verbraucht und weniger Treibhausgasemissionen verursacht, aber eine angemessene Abfallentsorgung dennoch wichtig ist, um die ökologischen Vorteile voll auszuschöpfen. Auch hier kam man zu dem Schluss, dass das mechanische Recycling die beste Lösung für die Materialien zu sein scheint (Piemonte, 2011).
Was können wir tun?
Wenn Sie Ihren Plastikverbrauch nachhaltiger gestalten wollen, kann Bioplastik zumindest ein Teil der Lösung sein. Es ist jedoch wichtig, sorgfältig zu prüfen, welche Bioplastiksorten verwendet werden sollen und wie sie je nach ihrer Zusammensetzung und den örtlichen Abfallentsorgungs- und Recyclingpraktiken entsorgt werden können.
Laut unseres bisherigen Wissenstands scheint das Recycling im Allgemeinen die bessere Option zu sein als die Kompostierung und wir empfehlen daher, sich wann immer möglich für diese Strategie zu entscheiden. Beim Recycling wird der weitere Energieverbrauch für die Kompostierung (oder im schlimmsten Fall Verbrennung) der Abfallmaterialien umgangen. Außerdem werden jene Ressourcen, die in die Produktion des Ausgangsprodukts investiert wurden, langfristiger genutzt, wenn der Plastikartikel nicht gleich entsorgt wird.
Versuchen Sie Bioplastik zu verwenden, das sowohl biobasiert als auch biologisch abbaubar ist, da diese Variante über ihre gesamte Lebensdauer hinweg am wenigsten Energie verbraucht.
Außerdem gilt wie immer: Wenn es andere Möglichkeiten gibt, sollten Sie versuchen, generell auf Plastik zu verzichten und/oder sich für wiederverwendbare Produkte zu entscheiden. Wenn es gar nicht anders geht, kann die Verwendung von Bioplastik oft die bessere Alternative sein, vorausgesetzt dieses wird später ordnungsgemäß entsorgt. Beachten Sie, dass z.B. in Wien Bioplastik nicht im Bioabfall entsorgt werden darf (siehe www.wenigermist.at/muellsackerl). Wir empfehlen allen Verbraucher:innen, sich über die spezifischen abfallrechtlichen Bestimmungen in ihrem Bundesland oder ihrer Stadt zu informieren.
List of References
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